Wikibu – gute Idee mit einigen Tücken

Fast jeder kennt es, das Wikipedia-Dilemma. Nirgendwo findet man mehr Informationen auf einmal. Doch kann man den Artikeln überhaupt trauen? Schließlich darf fast jeder an den Texten und Biografien mitschreiben. Damit ist nicht immer gesichert, dass in dem Online-Lexikon auch die Wahrheit steht.

Wie soll man wissen, ob ein Wikipedia-Artikel vertrauenswürdig ist?

Eine Antwort auf diese Fragen möchte „Wikibu“ liefern. Das Programm wendet sich an alle, die verunsichert sind, wenn es um das Online-Lexikon geht.

Das Prinzip von Wikibu ist einfach: es überprüft kostenlos den Wahrheitsgehalt von Wikipedia-Artikeln anhand von verschiedenen Kriterien wie der Anzahl der Besucher/innen, Autoren und Verweise sowie der angegebenen Quellen.
Am Ende erhält der gesuchte Artikel eine Punktzahl zwischen 1 und 10. Je höher die Punktzahl, desto vertrauenswürdiger der Artikel.

Zusätzlich werden Nutzer/innen auf häufige Änderungen hingewiesen und dazu angehalten, die Bewertung nochmals zu überprüfen, wenn auch zwischen den Autoren selbst eine Diskussion über den Inhalt besteht.

Wie Wikibu selbst schreibt, wird die Bewertung statistisch durchgeführt: Faktoren, die diese Statistik verzerren, werden daher nicht miteinkalkuliert. Das birgt die Gefahr, dass die Bewertungen schlussendlich verfälscht werden.

Beispiel Besucherzahlen: Artikel zu unbekannten oder unbeliebten Themen bekommen hier automatisch eine schlechtere Wertung. Das muss aber nicht zwingend etwas über ihren Wahrheitsgehalt aussagen.

Gleiches trifft auch auf die Verweise oder die Anzahl der Autoren zu: Vier Augen sehen zwar mehr als zwei, doch zu viele Köche können den Brei auch verderben. Man kann im Endeffekt nie wissen, ob ein Autor vielleicht mehr zu dem Thema weiß als zehn andere, weil es sich um sein Fachgebiet handelt. So kann man auch über die Autorenzahl nicht schlüssig auf eine besondere Vertrauenswürdigkeit schließen.

Das bietet die Möglichkeit zur Manipulation: um den Vertrauensgehalt von Artikeln zu vergrößern, könnten sich mehrere Autoren einfach zusammentun und den Artikel immer wieder um minimale Einschübe ergänzen ohne jedoch dessen Wahrheitsgehalt irgendwie zu steigern.

Auch Quellen und Verweise müssen nicht immer etwas über die Vertrauenswürdigkeit eines Artikels aussagen: zu manchen Themen existieren kaum Quellen, dafür können die wenigen vorhandenen Dokumente sehr aussagekräftig sein. Umgekehrt kann es auch vorkommen, dass trotz guter Quellenanlage falsche Informationen im Online-Lexikon landen.

Entbrennt innerhalb der Wikipedia-Community eine Debatte um bestimmte Inhalte, kann Wikibu den Wahrheitsgehalt ebenfalls nicht mehr schlüssig bewerten.

Die Folge ist, dass vor allem Minderheiten und Frauen durch den bisherigen Suchmechanismus benachteiligt werden. Es gibt weniger Autor/innen, die über weibliche Persönlichkeiten Artikel verfassen und oft auch weniger Quellen und mehr kontroverse Diskussionen, sodass die Glaubwürdigkeit dieser Artikelgruppen auf Wikibu oft besonders gering ausfällt.

Gut gemeint ist die Wikibu-Idee auf jeden Fall, aber eben auch noch sehr verbesserungswürdig.

Lea Horn, Göppingen

 

Autorinnen für Wikipedia gesucht! – Wikipedia wird weiblich

Workshop am 11. März 2017, 10:00 – 13:00 und 14:00 – 17:00
Ort:  Aalener Torhaus (Gmünder Straße 9)
Raum: Unterrichtsraum 2, 3. Obergeschoss / EDV-Raum 2, 4. Obergeschoss
Kosten: 10 € bzw. 6 € (mit Familienpass)

Das 2001 gegründete Onlinelexikon Wikipedia beinhaltet etwa 30 Millionen Artikel in über 280 Sprachen. Die Autor*innen von Wikipedia sind Ehrenamtliche, die in Eigeninitiative und im Team Artikel verfassen, überarbeiten, erweitern, aktualisieren und über das Erschienene diskutieren. Der Großteil dieser Menschen sind Männer.

Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg und die Volkshochschule Aalen veranstalten am 11. März einen Workshop, der Sie und euch dazu ermutigen soll, Wissen auf Wikipedia zu teilen, an den Diskussionen der Wikipedia-Gemeinschaft teilzuhaben und selbst Artikel zu verfassen.

Der Workshop richtet sich explizit an Frauen, um deren Teilhabe und Teilnahme an Wikipedia zu stärken.

In einem ersten Teil wird das Projekt „Wikipedia wird weiblich“ vorgestellt. Im zweiten Teil können die Teilnehmerinnen selbst einen Wikipedia-Artikel erstellen. Hier sollen das Erstellen von Links, das Einbringen von Stichworten, die Ergänzung vorhandener Artikel und die Teilnahme an der Diskussion im Vordergrund stehen.

Der Workshop wird betreut von Nada Heller. Es können sechs bis 14 Frauen teilnehmen.

WikiCon 2016 in der Region Stuttgart

Geschäftiges Treiben belebte das „K“ – im großzügig ausgestatten Kongresszentrum in Kornwestheim fand die WikiCon 2016 statt. Ein Blick auf die 333 Personen, davon gefühlt 300 Männer, zeigte gleich, dass der Workshop „Wikipedia wird weiblich“ wichtig war: Das Geschlechterverhältnis auf der WikiCon dürfte dem der gesamten Autorenschaft entsprechen. Somit machten Männer im Publikum die Mehrheit aus, doch immerhin waren sie zusammen mit einigen Wikiwomen da und demonstrierten, dass das Thema alle angeht. Nur wenn die gesamte Community mitzieht, können sich die Rahmenbedingungen so verändern, dass sich (mehr) Frauen in der Wikipedia wohlfühlen und engagieren.

Nachdem Elisabeth Skrzypek und ich die Aktivitäten vorgestellt haben, mit denen wir mehr Frauen für die Mitarbeit bei Wikipedia zu gewinnen versuchen, gab es Diskussionsbedarf und konkrete Ideen. Neu für uns: Mit einem technisch akzeptierten Gender-Star kann Alice Schwarzer zur Frauenrechtler* werden – ob es sogar zur Frauenrechtler*in reicht, werden wir testen. Kontrovers wurden Kooperationen mit interessengebundenen Organisationen gesehen, die möglicherweise den Charakter einer Enzyklopädie gefährdeten. Andererseits sichern sie spezifisches Wissen. Diskutiert wurde auch die Frage nach den Gründen des geringen Frauenanteils.  Die Argumente bergen das Risiko in sich, Rollenbilder durch den Versuch der Dekonstruktion erst zu konstruieren – das berühmte Gender-Paradox. Doch klar wurde schnell: Von einer einfacheren technischen Handhabung und einem wertschätzenden Ton profitieren alle – wenn „Wikipedia weiblich(er) wird“, werden die Ergebnisse nicht nur besser, sondern die Mitarbeit schöner!

Sabine Keitel

Wikipedia-Workshop in Heidelberg

Beitrag von Saskia Schieber
Am 12. März 2016 trafen sich neun Frauen in der Volkshochschule Heidelberg zum „Wikipedia wird weiblich“-Workshop der Landeszentrale für politische Bildung in Kooperation der vhs-Heidelberg und der Lesbisch-schwulen Geschichtswerkstatt Heidelberg-Ludwigshafen-Mannheim. Es wurde gelacht, gestaunt und geschrieben. Ganz nebenbei sind viele neue Artikel in der Enzyklopädie ergänzt worden. Die Zeit verflog rasend schnell und keiner bemerkte, dass der Kurs schon zu Ende war. Die Referentinnen Nada Heller und Ilona Scheidle führten uns mit einem spannenden Vortrag in die männerdominante Wikipedia ein. Wir durchlöcherten beide mit Fragen nach Verlinkungen, Visual Editor und Löschdiskussion. Nach der Mittagspause ging es dann in die Praxis über. Auf 7 Tastaturen wurde eifrig etwas eingehämmert, deswegen kann man nun fantastische Beiträge über bemerkenswerte Frauen auf Wikipedia finden. Nach der Veröffentlichung bibberten wir, ob ein Löschantrag gestellt wird. Übrigens: Mein Artikel ist immer noch in Wikipedia zu finden. Ich hoffe, es geht den anderen Teilnehmerinnen auch so. Als letztes kam die Idee auf, selbst einen Rhein-Neckar- Wikipedia- Stammtisch zu gründen. Hoffentlich lässt sich diese Idee umsetzen. Gemeinsam sind wir unserem Ziel, Wikipedia soll weiblicher werden, an diesem Tag ein kleines Stückchen näher gekommen.

Wikiwomen besuchen Stuttgarter Zeitung

Liebe Wikiwomen,
warum nicht von den Profis lernen? Das können wir, wenn wir die Stuttgarter Zeitung besuchen und uns von einer Redakteurin zeigen lassen, wie Nachrichten recherchiert und geschrieben werden. Danach werden wir selbst aktiv und nutzen die aktuelle Tageszeitung, um Wikipedia-Beiträge zu aktualisieren und zu belegen! Wenn Ihr Lust habt, dann meldet euch für das Programm am 19. Februar 2016 an; anbei findet ihr die Details. Und viele andere spannende Veranstaltungen findet Ihr naürlich im Jahresprogramm der LpB, das im Dezember verschickt wird. Ihr seid hoffentlich im Verteiler?
Herzliche Grüße, Sabine
19.2.16 Programm Stuttgarter Zeitung

Die Inspire-Kampagne

Inspirieren (Verb)

Bedeutungen:
[1] geistig anregen
[2] zu einem Tun veranlassen; dazu bringen, etwas zu unterlassen

Beispiele:
[1] Meine Ansichten sind auch durch das neue Buch zu diesem Thema inspiriert.
[2] Er hat mich inspiriert, es einmal anders zu versuchen.
Quelle: de.wiktionary.org

„Es einmal anders versuchen“ ist auch die Leitlinie der Inspire-Kampagne von Wikimedia, dem Verein, der hinter Wikipedia steht. Die durchschnittlich 10% Anteil Frauen an den Autor*innen der Wikipedia – das soll anders versucht werden.

Wikimedia nennt den geringen Frauenanteil „gender gap“, zu deutsch etwa Geschlechterlücke, und ist sich dieses Problems schon seit 2010 bewusst. Inspire ist die Kampagne, mit der Wikimedia versucht, den gender gap in großem Rahmen zu überwinden. Dafür sucht Wikimedia die Hilfe seiner User. Wer auch immer eine Idee hat, soll sie im Portal IdeaLab hochladen – die anderen bewerten sie dann, und mithilfe der Gemeinschaft werden die besten Ideen sichtbar. Aber jede Idee, ob nun breit befürwortet oder nicht, kann sich für ein von Wikimedia gesponsortes Fördergeld bewerben. Als User kann man sich dann Teams anschließen, die versuchen, unterschiedliche Ideen zu verwirklichen.

Inspires Ziel sind 100 Ideen und 500 Mitmachende bis Ende März. Zum Zeitpunkt dieses Eintrags sind 101 Ideen vorgeschlagen worden, aber nur 307 Teilnehmer*innen haben sich gemeldet. Ideen sind u.a. eine Untersuchung, ob Biografien von Frauen und von Männern anders bearbeitet werden durch die Wikipedia-Gemeinschaft; in der Kategorie „Was geschah am heutigen Tag?“ der Startseite mehr Links zu Frauen einzubauen; oder die allgemeine Gesprächskultur zu verbessern, sodass niemand Beschimpfungen fürchten muss.

Inspire ist dabei nur ein Versuch, den gender gap zu schließen. Daneben existieren noch eine Vielzahl kleinerer und lokaler Initiativen, die allerdings in den Medien kaum rezipiert werden. So hat z.B. 2013 Wikimedia Deutschland nach Berlin zur „Wikimedia Diversity Conference“ eingeladen, bei dem auch eine Vielzahl von Möglichkeiten, den gender gap zu schließen, in Workshops und Vorträgen erdacht wurde. In Ägypten wurde 2014 der WikiWomen Prize vergeben, ein Geldpreis für den besten Artikel – Voraussetzung, dass er von einer Frau für die arabische Wikipedia geschrieben wurde. Im Rahmen des WikiWomen History Month, während dem versucht wird, zahlreiche Artikel über Geschichte von und durch Frauen zu bearbeiten und zu erstellen, finden in Schweden diesen Monat mehrere Schreibmarathons statt.

Man sieht also: das Problem ist bekannt. Lösungsansätze sind nicht nur vorhanden, sondern werden auch von einer engagierten, aktiven Gemeinschaft durchgeführt. Ob Inspire und ihre Schwesterkampagnen jedoch einen wirklichen Effekt haben, bleibt abzuwarten.

 

Laura Siggelkow

Mein erstes Mal

Was kann alles schief gehen, wenn man als absolute Anfängerin einen Wikipedia-Artikel schreiben will? Erstaunlich wenig, stellt sich heraus, und man lernt vor allem eins: Es macht süchtig.

Ich hatte mich entschieden, einen in der englischen Wiki schon bestehenden Artikel ins Deutsche zu übersetzen. Leichter gesagt als getan. Schon beim Übersetzen musste ich den Text mehrfach redigieren, weil er im englischen Original teilweise sehr verworren, verwaschen und verwirrend war. Als ich dann mit dem Rohtext zufrieden war, machte ich mich an die Formatierung. Die überraschte mich damit, wie viel automatisiert ist – man muss nur die Überschrift in == Überschrift == setzen, und schon weiß das Programm, dass sie auch ins Inhaltsverzeichnis gehört!

Eine größere Herausforderung stellten die Quellen dar. Aufgrund des Vorurteils, dass in der Wikipedia jede Person alles bearbeiten könne und man ihr dadurch nicht trauen könne, sind korrekte Quellen ein elementarer Bestandteil jedes Artikels. So wie jede Überschrift automatisch ins Inhaltsverzeichnis gezählt wird, wird auch jede Quelle automatisch als Fußnote gesetzt – das ist praktisch. Aber worauf man alles achten muss! Bei Internetquellen den Link setzen, der Seite einen Titel geben, Name der Autorin hinzufügen, Veröffentlichungsdatum angeben, Überprüfungsdatum angeben, wenn möglich mit Abkürzungen arbeiten… Da ich einen bestehenden Artikel übersetzte, könnte man meinen, waren schon die meisten Quellen vorhanden. Hah. Nein. Auch bei Übersetzungsarbeiten besteht Prüfungspflicht, und viele der Internetquellen waren inzwischen nicht mehr vorhanden! Mit ein bisschen Herumgoogelei fanden sich schnell Alternativquellen, aber jede Überprüfung musste einzeln durchgeführt werden.

Nachdem der Quellendschungel dann erfolgreich bezwungen worden war, drückte ich auf „Seite speichern“ und betrachtete stolz das Werk. Gerührt wischte ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Diesen formidablen Artikel hatte ich geschrieben, ganz allein, mit nur wenig Hilfe! Ich war direkt verantwortlich für die Weiterentwicklung desjenigen Portals, das quasi die Hälfte meiner Schulaufsätze im Alleingang schrieb! Ob wohl irgendwo da draußen eine Schülerin der Mittelstufe sitzt und eines Tages meinen Artikel aufrufen wird, um den Inhalt für ein Referat am nächsten Tag zu kopieren? Bei diesem Gedanken geht mir das Herz auf.

Doch halt – meine Augen erspähten eine winzige Randbemerkung oben rechts – „Nicht gesichtet“, stand dort geschrieben. Ich lüge kaum, wenn ich sage, dass ich danach vier Stunden auf meinem Schreibtischstuhl festgeklebt saß und jede Minute die Seite aktualisierte, bis endlich das kleine Schild verschwand. Zufrieden rieb ich mir die Hände. Der Artikel war nun in freier Wildbahn, und Sekunden später wurde er schon verbessert. Ich hatte keine Normdaten angegeben. Nun sind Normdaten einer Person aber scheinbar wichtig, um sie in Nationalbibliotheken finden zu können. Soll mir nur Recht sein. Eine andere Verbesserung erfolgte eine Stunde später, und das ist ein großartiges Gefühl – die Gemeinschaft arbeitet zusammen, um der Menschheit möglichst gute und möglichst gut sortierte Informationen zu präsentieren. Toll. Selbst jetzt würde ich am liebsten den Blog schließen und nachschauen, ob jemand etwas an meinem Artikel verändert hat.

Das ist eigentlich eine gute Idee. Das mache ich jetzt.

 

Laura Siggelkow

Weg, oh Schreck? Noch da – hurra!

Mein erster Wiki-Artikel

Drei Stunden lang konnte ich mich an meinem ersten Wiki-Beitrag erfreuen – dann war er da, der Löschantrag! Ob denn die Dame relevant sei, wurde gefragt, und die beeindruckende Zahl an politischen Gremien, in der die Beschriebene tätig ist, kreidete der Antragsteller gar negativ an. Er unterstellte einfach, dass ein solches Arbeitspensum nicht leistbar sei und die Mandate rein formal übernommen worden seien. Interessant ist, welches Bild eines ämterüberhäuften Politikers dahinter steckt. Dass ich jedoch gerade deshalb über eine Frau in Wikipedia berichte, weil sie engagiert, klug und verbindlich ist, kam ihm nicht in den Sinn.

Tagsüber konnte ich nicht an den PC und formulierte schon im Kopf an den Argumenten herum, mit denen ich am Abend meine Vorbildfrau verteidigen wollte. Kaum eingeloggt, kam das Aha-Erlebnis: Nicht der Beitrag, sondern der Löschantrag war weg! Mir wildfremde Wikipedianer/innen sind mir beigesprungen, haben den Artikel verbessert, gestrafft, belegt und – gerettet! Kürzer ist er geworden, besser wohl auch, und er ist noch da – hurra!

Sabine Keitel